«EINSTEIGEN, FAHRBAHN FREI, DIE REISE BEGINNT»

Nächster Halt: Zürcher Oberland - Marco Gottardi

Schweizer Illustrierte 40/40/2025

Es isch Chilbi z Uschter! Punkt sechs eilt Marco Gottardi in seinen von Krampf und Kilometern gezeichneten Cowboy-Boots zur Autoscooter-Halle, betritt den Kommandoposten und greift zum Mikrofon. Drei, zwei, eins: «So, Leute von heute. Einsteigen, Fahrbahn frei, die Reise beginnt, los gehts!»

«Wer das Chilbi-Virus einmal eingefangen hat, wird es so schnell nicht mehr los.»
Marco Gottardi, Schausteller

Kein Leben für Schlafmützen

Der Name Gottardi ist im Zürcher Oberland gleichbedeutend mit Chilbi. Seit 1942 reist die Familie mit ihren Buden und Fahrgeschäften durch die Region. «Ich bin als Chilbi-Bueb geboren, heute bin ich ein Chilbi-Maa», sagt der 57-jährige Marco Gottardi. «Wer das Virus einmal eingefangen hat, wird es so schnell nicht mehr los.» Die Chilbi Uster ist ein Heimspiel für ihn. Den Betrieb führt er zusammen mit seiner Ehefrau Rahel in vierter Generation. «Ich bin hier aufgewachsen, kenne jeden Winkel, kenne die Leute – und die Leute kennen mich.» Ist er auf dem Gelände unterwegs, vergeht keine Minute, ohne dass ihm jemand zuwinken würde. «Hoooi», «Tschauuu», «Sali zäme», Gottardi kommt kaum aus dem Quittieren heraus. «Mit Namen habe ich es nicht so, aber Gesichter, die kann ich mir tipptopp merken.»

«Der Bub will auf den Traktor, die Mutter sieht ihn lieber im Helikopter. Auf dem Karussell sind es selten die Kinder, die Probleme machen.»
Rahel Gottardi, Schaustellerin

 

Drei Nächte zuvor haben der gelernte Lastwagenchauffeur und seine Mitarbeiter Anlagen und Einrichtungen von Hombrechtikon am oberen Zürichsee an den Greifensee verschoben. Autoscooter, Kinder-Karussell, Boxkasten, Schiess-, Hammer- und Fadenbude: viel Material, viel Arbeit, wenig Schlaf. «Als Schausteller bist du von März bis Ende November auf Achse. Geschlafen wird, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt», bemerkt Gottardi. Erholungshemmend kommt in seinem Fall hinzu, dass er mit seiner Silver Dollar Band regelmässig auf der Bühne steht und Konzerte gibt, die nicht selten bis in die Morgenstunden dauern. Der Countrysänger schiebt sein Markenzeichen, den breitkrempigen Stetson, aus der Stirn, schaut auf die Uhr und stellt eine Überschlagsrechnung an: «Heute hat es für zweieinhalb Stunden Schlaf gereicht. Vielleicht war es auch weniger.»

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